Wer sich mit dem Thema Erben auseinandersetzt, stösst früher oder später auf das Credo «mit warmen Händen schenken». Was ist dran an dieser Empfehlung?
Wir dürfen uns heute einer höheren Lebenserwartung erfreuen als frühere Generationen. Dies führt dazu, dass Vermögen oft erst dann überschrieben wird, wenn die Erben – ob Kinder, Geschwister oder auch Freund*innen –, ebenfalls bereits in einem Alter sind, in welchem keine grösseren Projekte mit Finanzierungsbedarf mehr geplant sind.
Häufig sind Erbberechtigte aber insbesondere in jungen Jahren froh, wenn ihnen finanziell unter die Arme gegriffen wird. Beispielsweise bei der Finanzierung eines Eigenheims: Mit einem Erbvorbezug können Fremdschulden auf einem annehmbaren Niveau gehalten werden, ohne dass man Kompromisse beim neuen Heim eingehen muss. Auch ein finanzieller Zustupf bei der Gründung eines eigenen Unternehmens ist oft mehr als willkommen. Und je nach aktueller Lebenssituation stellt allein die Deckung des alltäglichen Bedarfs eine Herausforderung dar, die mit dem Erhalt eines Erbvorbezuges überwunden werden könnte.
Insofern macht es tatsächlich Sinn, zu Lebzeiten, oder wie es im Volksmund heisst: mit warmen Händen, zu schenken. Das Schöne für die schenkende Person daran ist, dass man miterleben kann, welche Freude das vorzeitig übertragene Vermögen auslöst. Auch können Schenkungen zu Lebzeiten Streitfälle post mortem verhindern – etwa bei der Übergabe von Unternehmen.
Wo Vorsicht geboten ist
Spricht also alles für die Ausrichtung von Zuwendungen zu Lebzeiten? Nicht unbedingt. Schenkungen können zwar tatsächlich Streit im Todesfall verhindern, sie können aber genauso gut Auslöser für kräftezehrende und langanhaltende Streitigkeiten sein.
Ein Beispiel für Erbstreitigkeiten ist die Schenkung einer Liegenschaft an eines von mehreren Kindern. Häufig führt dies im Todesfall zu hitzigen Diskussionen bezüglich des Werts, den sich das beschenkte Kind als Erbvorbezug anrechnen lassen muss. Und was ist, wenn die schenkenden Eltern, die grosszügig die Liegenschaft dem einen Sohn übertragen haben, bei ihrem Versterben kein weiteres Vermögen hinterlassen? Hier greift der Pflichtteilschutz der Nachkommen: Der beschenkte Sohn muss seine Geschwister auszahlen. Verfügt dieser nicht über ausreichend Liquidität, dürfte es zu Problemen kommen.
Heikel kann es auch werden, wenn ein erwachsenes und ausgebildetes Kind zu einem Vorzugsmietzins bei den Eltern oder in einer der elterlichen Liegenschaften wohnen darf. Halten sich die Geschwister zu Lebzeiten der Eltern noch mit Bemerkungen zurück, verlangen sie vielleicht im Todesfall der Eltern umso lauter ihr gleiches Recht bzw. einen Ausgleich für die Begünstigung des einen Geschwisterteils. Nur, wie hoch war die Begünstigung wirklich?
Auch kann es zu unschönen Szenen kommen – im Todesfall oder auch schon zu Lebzeiten –, wenn ein Erbe einen höheren Bargeldbetrag geschenkt erhält, ohne dass die Miterben entsprechend berücksichtigt oder nur schon informiert werden.
Was es zu beachten gilt
Der Auslöser für Erbstreitigkeiten ist oft das Gefühl der Benachteiligung, ganz unabhängig davon, ob dieses berechtigt ist oder nicht. Darum ist es empfehlenswert, bei lebzeitigen Schenkungen darauf zu achten, dass sich keiner der Miterben durch die Schenkung benachteiligt fühlt.
Folgende Tipps helfen schenkenden Personen dabei, Vermögen ohne Querelen weitergeben zu können:
- Richten Sie bei Vorhandensein von mehreren Erben, wenn immer möglich, allen gleichzeitig einen gleich hohen Erbvorbezug aus.
- Sprechen Sie Zuwendungen zu Lebzeiten mit allen Erben ab, auch wenn nicht alle eine Zuwendung erhalten.
- Halten Sie lebzeitige Zuwendungen schriftlich fest und lassen Sie eine Kopie davon jedem Erben zukommen. Zur Sicherheit können Sie die Dokumente von allen Erben unterzeichnen lassen.
- Erhält ein Erbe eine Liegenschaft, empfiehlt es sich, mit allen Erben einen öffentlich beurkundeten Erbvertrag abzuschliessen, in welchem festgehalten wird, zu welchem Wert sich der neue Eigentümer die Liegenschaft im Erbfall anrechnen lassen muss. Mit dem Erbvertrag wird der Anrechnungswert verbindlich, unabhängig davon, ob damit allenfalls Pflichtteile von Miterben tangiert werden.
Darüber hinaus sollten schenkende Personen die Auswirkungen auf die eigene Situation vorsichtig beurteilen. Denn Schenkungen zu Lebzeiten können sich als Bumerang erweisen: Dies ist dann der Fall, wenn die schenkende Person grosszügig ihr Vermögen verteilt hat und im Alter selbst auf finanzielle Hilfe angewiesen ist. Die Schenkungen können dazu führen, dass der Anspruch auf Ergänzungsleistungen wegfällt oder diese zumindest gekürzt werden. Falls dann auch die Verwandtenunterstützungspflicht nicht greifen sollte, bleibt bloss noch die Sozialhilfe.
Werden die hier beschriebenen Anregungen berücksichtigt, können lebzeitige Zuwendungen nicht nur die beschenkte, sondern genauso die schenkende Person erfreuen. Und das, ohne ungewollte Konflikte.
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