Änderungen im Erbrecht

Erbrecht unter der Lupe

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© Irina Murza

Das aktuell geltende Erbrecht aus dem Jahre 1912 hat in den über 100 Jahren nur geringfügige Anpassungen erfahren. Es soll nun modernisiert und der heutigen Gesellschaft angepasst werden. Der Nationalrat und der Ständerat haben sich in der Wintersession 2020 auf den Wortlaut des neuen Erbrechts geeinigt. Sollte bis 10. April 2021 kein Referendum dagegen ergriffen werden, wird das neue Erbrecht in absehbarer Zeit in Kraft treten.

 

Das neue Erbrecht beinhaltet insbesondere die folgenden wesentlichen Änderungen:

  • Die Pflichtteile für Nachkommen werden neu um ein Viertel gesenkt. Hinterlässt die verstorbene Person einen Ehegatten bzw. lebte sie in einer eingetragenen Partnerschaft, steht den Nachkommen vom Nachlassvermögen somit neu ein Pflichtteil von gesamthaft ein Viertel zu (bisher drei Achtel). Hinterlässt die verstorbenen Person keinen Ehegatten bzw. lebte sie nicht in einer eingetragenen Partnerschaft, beträgt der Pflichtteil der Nachkommen neu die Hälfte des Nachlasses (bisher drei Viertel). Mit der Reduzierung der Pflichtteile der Nachkommen kann der Erblasser freier über sein Vermögen verfügen.
  • Der heute nicht mehr zeitgemässe Pflichtteilsanspruch der Eltern – welcher bestand, wenn eine verstorbene Person keine Nachkommen hinterliess – wird abgeschafft.
  • In der Praxis häufig sind Eheverträge, mit welchem die Errungenschaft (d.h. insbesondere der während der Ehe erwirtschaftete Verdienst) dem überlebenden Ehegatten zugewiesen wird. Bislang war umstritten, ob diese Begünstigung des Ehegatten bei der Berechnung der Pflichtteile der gemeinsamen Nachkommen zu berücksichtigen sei oder nicht. Das neue Erbrecht entscheidet diese Unklarheit im Sinne der herrschenden Praxis, dass die mit dem Ehevertrag dem überlebenden Ehegatten zugewiesene Errungenschaft bei der Berechnung der Pflichtteile der gemeinsamen Nachkommen nicht zu berücksichtigen ist. Damit wird eine jahrelange Unsicherheit zugunsten der Begünstigung des überlebenden Ehegatten entschieden.
  • Eine weitere Regelung widmet sich dem Versterben während eines Scheidungsverfahrens oder während eines Verfahrens um Auflösung der eingetragenen Partnerschaft. Die überlebende Person hat in einem solchen Fall neu keinen Pflichtteilsanspruch mehr. Damit ist es möglich, in einem Testament zu bestimmen, dass der überlebende Noch-Ehegatte bzw. der überlebende Noch-Partner nichts erbt, falls man während des Scheidungsverfahrens bzw. während des Verfahrens um Auflösung der eingetragenen Partnerschaft versterben sollte. Mit dieser Änderung wird dem Willen um Auflösung der Ehe oder Partnerschaft Rechnung getragen. Auch werden allfällige Anreize zur taktischen Verzögerung des Scheidungsverfah­rens oder des Verfahrens zur Auflösung der eingetragenen Partnerschaft beseitigt.
  • Bislang gab es Unklarheiten inwiefern Versicherungsansprüche und Vermögen der Säule 3a zum Nachlassvermögen hinzuzurechnen sind. Neu ist explizit festgehalten, dass sowohl Versicherungsansprüche als auch Guthaben der Säule 3a (sowohl bei einer Versicherung als auch bei einer Bankstiftung) nur zu berücksichtigen sind, sofern sie die Pflichtteile von Erben verletzen. Massgebend bei Versicherungen ist der Rückkaufswert. Hat eine Versicherung keinen Rückkaufswert, ist diese bei der Erbteilung nicht zu berücksichtigen.

Im Hinblick auf die wohl bald in Kraft tretenden Änderungen im Erbrecht empfiehlt es sich, bestehende Eheverträge, Testamente und Erbverträge auf ihre Aktualität und Vereinbarkeit mit dem neuen Erbrecht zu überprüfen und bei deren Ausgestaltung die neuen Bestimmungen im Erbrecht bereits in die Planung miteinzubeziehen.

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