Neuerungen im Überblick

Was die Aktienrechtsrevision für KMU bedeutet

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Im Juni 2020 hat das Parlament den 2016 vom Bundesrat vorgelegten Gesetzesentwurf zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht) verabschiedet. Wir zeigen auf, welche Neuerungen die Revision für KMU mit sich bringt.

Aktienkapital: Neu auch in Fremdwährung ausweisbar

Durch die Aktienrechtsrevision wird die bestehende Inkohärenz zwischen Rechnungslegungsrecht und Aktienrecht aufgehoben. Während nach geltendem Rechnungslegungsrecht die Rechnungslegung und Buchhaltung einer Gesellschaft grundsätzlich in ausländischer Währung geführt werden kann, sind kapitalbezogene Aspekte nach bisher geltendem Aktienrecht zwingend in Schweizer Franken auszuweisen. Nach dem neuen Aktienrecht kann nun auch das Aktienkapital einer Gesellschaft auch auf eine ausländische Währung lauten, wenn die folgenden vier Voraussetzungen gemäss Art. 621 Abs. 2 nOR erfüllt sind:

  • die ausländische Währung muss für die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft wesentlich sein (Funktionalität der Währung);
  • das Aktienkapital in fremder Währung muss zum Zeitpunkt der Gründung bzw. bei bereits bestehenden Gesellschaften zum Zeitpunkt der Feststellung des Verwaltungsrates, dass die Voraussetzungen von Art. 621 Abs. 2 nOR erfüllt sind, einem Gegenwert von mindestens 100’000 Schweizer Franken entsprechen;
  • die Buchführung und die Rechnungslegung müssen in derselben Währung erfolgen;
  • die gewählte Währung muss vom Bundesrat als geeignet qualifiziert worden sein.

Zum heutigen Zeitpunkt geht man davon aus, dass der Bundesrat die Währungen US-Dollar, Euro, Britisches Pfund und Japanischer Yen zulassen wird.

Mindestnennwert: Neu nur noch «grösser Null»

Der Mindestnennbetrag in Höhe von 1 Rappen für Aktien und Stammanteile entfällt. Neu muss der Nennwert lediglich grösser Null sein. Mit der Neuregelung des Nennwertsystems wird sichergestellt, dass die Gesellschaften bei der Gestaltung ihrer Eigenkapitalstruktur grösstmöglichen Spielraum haben.

Erleichterungen bei der Verrechnungsliberierung von Kapital

Erleichterungen bringen die neuen Bestimmungen auch in Bezug auf die Verrechnungsliberierung. Die bislang strittige Frage der Zulässigkeit der Verrechnung nicht werthaltiger Forderungen im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung wird neu explizit geregelt. Weiterhin nicht zulässig ist die Liberierung mit bestrittenen Forderungen.

Beabsichtigte Sachübernahme: Die Vorschriften sind aufgehoben

Bei einer Sachübernahme verpflichtet sich die Gesellschaft, nach der Gründung oder Kapitalerhöhung Vermögenswerte entgeltlich zu übernehmen. Die hierbei zu beachtenden Vorschriften waren jedoch bisher auslegungsbedürftig und mit einer hohen Unsicherheit verbunden. Dies wog umso schwerer, weil eine Verletzung der Regelungen die Nichtigkeit der Gründung oder Kapitalerhöhung zur Folge hatte. Diesem Umstand hat das neue Aktienrecht durch die Abschaffung der Sachübernahmevorschriften Rechnung getragen.

Zwischendividenden: Neu durch Generalversammlungsbeschluss möglich

Unter einer Zwischendividende (auch Interimsdividende genannt) wird die Ausrichtung einer Dividende während des Geschäftsjahres zulasten des Ergebnisses der laufenden Periode verstanden. Diese Dividende ist nach heute geltendem Recht und der Auffassung der EXPERTsuisse nicht zulässig. Nach dem neuen Aktienrecht kann die Generalversammlung nun jedoch auf der Grundlage eines zu erstellenden Zwischenabschlusses eine solche Interimsdividende beschliessen. Die Revisionsstelle muss den Zwischenabschluss vor dem Beschluss der Generalversammlung prüfen. Die Prüfung ist nicht erforderlich, wenn die Gesellschaft auf die eingeschränkte Revision verzichtet hat (Opting-out) oder wenn sämtliche Aktionäre der Ausrichtung der Zwischendividende zustimmen und die Forderungen der Gläubiger dadurch nicht gefährdet werden.

Kapitalband: Die Eigenkapitalstruktur flexibler gestalten

Die Generalversammlung kann den Verwaltungsrat ermächtigen, das Gesellschaftskapital flexibel innerhalb einer vorgegebenen Bandbreite im Umfang von jeweils 50% des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals während einer Dauer von maximal fünf Jahren beliebig zu erhöhen und herabzusetzen. Das bisherige Instrument der genehmigten Kapitalerhöhung fällt damit weg. Die Einführung eines Kapitalbands bietet Schweizer Aktiengesellschaften die Möglichkeit einer flexibleren Gestaltung der Eigenkapitalstruktur.

Sanierungsrecht: Der Verwaltungsrat steht vermehrt in der Pflicht

Mit Inkrafttreten des neuen Aktienrechts erfolgt auch eine Modernisierung des Sanierungsrechts und eine zunehmende Fokussierung auf die Überwachung der Liquidität in der Verantwortlichkeit des Verwaltungsrats. Der Verwaltungsrat ist verpflichtet, die Liquidität zu überwachen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit muss er umgehend Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit ergreifen und – sofern erforderlich – zusätzliche Sanierungsschritte einleiten.

Im Fall der Überschuldung muss der Verwaltungsrat die Bilanz nicht deponieren, wenn begründete Aussicht besteht, dass die Überschuldung innert angemessener Frist, spätestens aber 90 Tage nach Vorliegen der geprüften Zwischenabschlüsse, behoben werden kann. Die Ausnutzung der Frist kommt jedoch nur zum Tragen, wenn dadurch die Forderungen der Gläubiger nicht zusätzlich gefährdet werden.

Verfügt die Gesellschaft über keine Revisionsstelle, so muss die letzte Jahresrechnung vor ihrer Genehmigung durch die Generalversammlung überdies einer eingeschränkten Revision durch einen zugelassenen Revisor unterzogen werden.

Kapitalverlust und Überschuldung: Neu Handlungspflicht des Verwaltungsrats schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit

Neben der Pflicht zur Überwachung der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft und der bereits bestehenden Handlungspflichten bei Kapitalverlust und Überschuldung, muss der Verwaltungsrat nun auch im Falle einer drohenden Zahlungsunfähigkeit mit gebotener Eile geeignete Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit und gegebenenfalls weitere erforderliche Sanierungsmassnahmen ergreifen.

Hingegen wird die Einberufung einer Sanierungsgeneralversammlung wie nach geltendem Recht nicht mehr zwingend verlangt; Gesellschaften, ohne Revisionsstelle müssen sich neu jedoch einer eingeschränkten Revision durch einen zugelassenen Revisor unterziehen lassen.

Aufwertung von Beteiligungen und Grundstücken

Zur Behebung eines Kapitalverlusts oder einer Überschuldung dürfen Grundstücke und Beteiligungen, deren wirklicher Wert über die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gestiegen ist, bis maximal zu diesem wirklichen Wert aufgewertet werden. Die Aufwertung ist nur zulässig, wenn die Revisionsstelle oder, wenn eine solche fehlt, ein zugelassener Revisor schriftlich bestätigt, dass die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten sind.

Der Aufwertungsbetrag ist unter den gesetzlichen Gewinnreserven gesondert als Aufwertungsreserve auszuweisen. Die Aufwertungsreserve kann nur durch Umwandlung in Aktien- oder Partizipationskapital sowie durch Wertberichtigung oder Veräusserung der aufgewerteten Aktiven aufgelöst werden.

Nach heutigem Kenntnisstand wird die Aktienrechtsrevision im Jahr 2023 in Kraft treten und eine Übergangsfrist von zwei Jahren beinhalten. Nach Ablauf dieser Frist treten nicht mit dem neuen Recht vereinbare Statutenbestimmungen automatisch ausser Kraft. Die oben beschriebenen Änderungen führen somit nicht dazu, dass bestehende Statuten zwingend angepasst werden müssen, jedoch empfehlen wir sich frühzeitig mit den Neuerungen auseinanderzusetzen. Gerne sind wir Ihnen hierbei behilflich und stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.

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